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Angst

 

Angst ist wie ein Gewitter, sie trifft uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel .

Was ist eigentlich Angst?

Es ist die Reaktion des Körpers auf eine Situation, die als bedrohlich empfunden wird.

In früheren Zeiten diente diese Reaktion dazu,zu überleben. Wenn z.B. ein Säbelzahntieger um die Ecke kam,erschreckte sich der Mensch. Dieses bewirkte die Ausschüttung von Adrenalin im Körper, das führte zur Beschleunigung des Herzschlags, Schweißausbruch, Muskelanspannung,besserer Durchblutung des Gehirns (um besser Entscheiden zu können was zu tun ist) und das alles war wichtig um vor der Gefahr flüchten zu können.

Dieser uralte Reflex ist uns bis heute erhalten geblieben,er ermöglicht es uns, auf Gefahren angemessen zu reagieren.

Die körperlichen Symptome der Angst kennt jeder; rasender Puls, Schweißausbrüche,wacklige Beine, Schwindelgefühle, Muskelanspannung.

Manchmal treten diese Symptome einfach nur so auf,ohne das es eine erkennbare Ursache gibt, das macht uns unsicher und so entwickelt sich Angst, die diese Symptome noch verstärkt.Wir erkennen nur, das dieses in bestimmten Situationen auftritt, z.B. große Höhe, Menschenmengen, Dunkelheit,und so entwickelt sich mit der Zeit eine Angst vor der Angst:  Wir wissen,was passiert und so treten die Symptome schon auf, wenn wir nur an die Situation denken, und so kann es passieren, das wir erst gar nicht mehr losgehen.

Diese Vorgänge laufen oft unbewußt ab und so ist das ganze ein Kreislauf; wir wissen, was passiert und engen unseren Lebensraum immer mehr ein,aus Angst vor der Angst.

Dieser Kreislauf ist nur mit professioneller Hilfe zu durchbrechen.Erst einmal muß man erkennen, das es sich um Angst handelt, nicht um eine evtl. körperliche Erkrankung, dann muß man lernen wie man durch diese Angstanfälle hindurchkommt.

Ich habe fast 4 Jahre an Angstanfällen gelitten, die am Ende so schlimm waren, das ich fast 1 Jahr lang das Haus nicht mehr verlassen habe.

Wie ich es geschafft habe,heute wieder ein normales Leben zu führen,erzähle ich euch gerne.

 

 

Wie fing es eigentlich an?

Wir hatten damals eine eigene Firma,die mein Mann durch Mißwirtschaft ruiniert hat.Über einen längeren Zeitraum entwickelte es sich; die Gläubiger riefen an, standen vor der Tür, der Gerichtsvollzieher kam regelmäßig, wir hatten sogar Privatdetektive im Haus.Dadurch entstand bei mir eine Angst vor der Telefon - oder Türklingel,fremde Menschen die mich ansprachen lösten Angst aus ;es war  mir damals noch nicht bewußt,das es Angst war,mehr so ein unbehagliches Gefühl mit den körperlichen Symptomen wie Herzrasen und Schweißausbrüchen.

Irgendwann traten diese Symptome einfach so auf,meistens wenn ich unterwegs war; es kamen noch die Schwindelanfälle dazu.Beim Einkaufen,wenn ich an der Kasse stand wurde es irgendwann so schlimm,das ich nicht mehr Einkaufen gehen konnte.

Damals dachte ich,ich wäre nur überarbeitet,durch Kinder,Haushalt, Firma u.s.w.Der Arzt stellte nur einen hohen Blutdruck und schnellen Puls fest.Nichts Ernstes.

Dann kamen die Schwindelanfälle, wenn ich mit dem Auto längere Strecken fuhr, ich mußte anhalten und wieder umdrehen. So wurde mein Aktionsradius langsam kleiner.In der Zeit begannen auch die Muskelschmerzen durch die ständige Anspannung.

Ich fing an, Menschenansammlungen zu meiden,da mir dort auch immer schwindelig wurde,beim Elternabend setzte ich mich neben die Tür,um notfalls schnell flüchten zu können,beim Martinszug ging ich ganz hinten und außen, Flohmärkte und Kirmes ging gar nicht mehr.

Es folgten viele Arztbesuche, Untersuchungen und interessante Diagnosen wie Herzrhytmusstörung,Fibromyalgie (Rheuma) und letztendlich immer ohne organische Ursache.Ich kam mir langsam vor, wie ein Simulant,die Symptome waren da, aber niemand fand eine Ursache.

Dann wurde mir schon schwindelig, wenn ich nur durch`s Dorf ging und so blieb mir nur noch Haus und Garten.Ich konnte mich kaum noch bewegen durch die Muskelschmerzen und bekam andauernd Herzrasen.

Mein Arzt überwies mich dann in eine psychosomatische Klinik.

Nach den ersten Gesprächen wurde ich in eine "Angstgruppe" eingeteilt,worüber ich mich damals echt geärgert habe.Ich wollte körperlich wieder gesund werden (ich war immer noch davon überzeugt,an irgendeiner Krankheit zu leiden) .

Als ich mich dann auf den Weg zur ersten Sitzung machte,geschah etwas seltsames:Ich bekam Herzrasen,Schweißausbrüche, Schwindelanfälle und kam nur sehr mühsam dort an. Vor der Tür standen noch andere, die genauso schlecht aussahen, wie ich mich fühlte; keiner traute sich, die Tür aufzumachen. Dann öffnete die Therapeutin die Tür und bat uns herein. Mist, alle Stühle standen im Kreis, keine Chance sich zu verstecken, und die Stühle an der Tür waren als erstes besetzt. 

Da habe ich zum erstenmal begriffen, das es sich um Angst handelt, das es vielen anderen genauso geht,und das es einen Weg heraus gibt.

Wir lernten dann, was Angst ist, wie die Symptome sind,wie es zur "Angst vor der Angst" kommt und wo die persönlichen Ursachen liegen.

Wir lernten verschiedene Entspannungstechniken,mußten ein Angsttagebuch führen, um herauszufinden wann genau ein Anfall auftrat, warum und was dabei passierte.

Und dann kam der schwerste Schritt: Wir hatten alle auf irgendein Wunder gehofft, auf ein "Geheimrezept" wie die Angst einfach verschwinden würde, aber um die Angst zu besiegen, gibt es nur einen einzigen Weg:

Man muß in die angstauslösende Situation hineingehen,die Symptome aushalten,dortbleiben und so lange warten,bis es weniger wird und dann aufhört.

Dadurch lernt das Gehirn, das es auszuhalten ist und in der Erinnerung wird das gespeichert und durch dieses Wissen löst sich die "Angst vor der Angst" auf und die Anfälle werden mit der Zeit weniger und leichter.Um diese Erfolge darzustellen,war das Tagebuch da, und es funktionierte.

Am Anfang der Kur war ich bei fast jedem Essen aus dem großen Speisesaal geflüchtet (zu viele Menschen) nach 2 Wochen war mir zwar noch schwindelig, aber ich konnte sitzen bleiben und nach 6 Wochen hatte ich nicht mal mehr ein unbehagliches Gefühl im Speisesaal.

Wir machten auch Spaziergänge mit den Therapeuten, immer weiter und länger, und nach 4 Wochen konnte ich alleine um den See gehen.

Dann kam mein schlimmster Alptraum dran, das Einkaufen. Erst in Begleitung, dann alleine. Die seltsamen Blicke der Kassiererinen werde ich nie vergessen, wenn ich endlich schweißgebadet und zitternd an der Kasse angelangt war,aber es wurde besser, nach fast 10 Wochen konnte ich wieder wie ein normaler Mensch einkaufen gehen .

Als ich dann wieder zu Hause war, habe ich eine ambulante Therapie gemacht, ich lernte wieder Autofahren, Ausgehen,auf den Flohmarkt gehen, mit den Kindern etwas zu unternehmen, an unbekannte Orte zu gehen,ich konnte wieder Sport treiben,und wieder ganz normal leben.

Diese Therapie dauerte immerhin fast 3 Jahre, es war sehr hart aber das Beste, was mir je passiert ist.

Heute habe ich auch noch hin und wieder Angstanfälle, meistens dann, wenn ich viel Streß habe, nicht auf mich achte, zu wenig schlafe, aber da ich weiß, was ich tun muß,kann ich gut damit leben.

 

 

 


Wenn es uns
nicht gelingt,
mit unseren Schwächen
und Fehlern
einen fairen
und dauerhaften
Frieden zu schließen,
werden uns
unsere versteckten Ängste
immer wieder
den Krieg erklären.

 

Wissenschaftliches dazu :

www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/angst.html

 
 
Tara Bracht : Die Angst - Trance
 
Angst ist die Erwartung von künftigem Schmerz.
Ihre Grundfunktion ist das Sicherstellen des Überlebens.
Rein psychologisch gesehen ist Angst eine Kette physischer Reaktionen, die sich in unveränderlicher Abfolge ereignen, man nennt das "Affekt".
Der in Reaktion auf unsere unmittelbare Erfahrung entstehende Angstaffekt verbindet sich mit Erinnerungen an assoziierte vergangene Ereignisse und die Affekte, die sie auslösten.
Das Angstgefühl kommt mit jeder Bedrohung unseres Wohlbefindens auf, sei es nun physischer, emotionaler, mentaler oder spiritueller Natur.
Wir befürchten, einen Verlust zu erleiden, von etwas, das wir für unser Leben und Glück unerlässlich halten.
Der größte Verlust, der Verlust, der allen anderen kleineren Verlusten, vor denen ich mich fürchte, zugrunde liegt, ist der Verlust des Lebens selbst. Die Wurzel aller unserer Ängste ist unser Urverlangen nach Existenz und die Abneigung gegen Verfall und Tod.
Ohne diese Angst können wir jedoch nicht überleben und gedeihen, sie sorgt dafür, das wir auf uns achten, Gefahren abschätzen können, uns pflegen und auch für andere sorgen können.
Das Problem ist: Das Angstgefühl macht oft Überstunden. Auch wenn keine unmittelbare Bedrohung besteht, bleibt unser Körper angespannt und auf der Hut, unser Bewußtsein eingeschränkt in Konzentration auf das, was schief gehen könnte. In diesem Fall hat die Angst nicht mehr die Funktion, unser Überleben sicherzustellen. Wir sitzen in der Angst - Trance gefangen, und unsere momentane Erfahrung ist an Reaktionsmuster gefesselt. Wir vergeuden unsere Zeit und Energie mit der Verteidigung unseres Lebens, statt es voll und ganz zu leben. 
 
Gefangen in der Angst - Trance
 
Wir sind gefangen, wenn das Angstgefühl zum kern unserer Identität wird und uns in der Fähigkeit einengt, unser Leben voll und ganz zu leben. Gewöhnlich nimmt diese Trance ihren Anfang in der Kindheit, wenn wir im Zusammenhang mit den für uns entscheidenden Menschen Angst erfahren. Wenn wir diese Mißbiligungen z.B. unserer Eltern über lange Zeit erfahren, setzt eine chronische Verspannung ein. Die Angst davor verspannt unseren ganzen Körper, statt einer vorübergehenden Angstreaktion entwickeln wir einen permanenten Panzer.
Auch unsere geistigen Reaktionen verfangen sich in starren Mustern.Die Konzentration, die uns bei echten Bedrohungen dienlich war, wird zur Zwangsvorstellung.
Unser Geist fabriziert ohne Ende Geschichten, was alles an schlimmen Dingen passieren könnte und wie wir es vermeiden können, wir fühlen uns als Opfer, nichts wert und schämen uns gleichzeitig dafür.
Wenn wir glauben, dass mit uns etwas nicht stimmt, sind wir davon überzeugt, in Gefahr zu sein. Unsere Scham über unsere Unfähigkeit nährt die bestehende Angst, und die Angst schürt noch mehr Scham.
Sind wir darin gefangen, scheinen Angsthaben und Schlechtsein zu bestimmen, wer wir sind. Das Angstempfinden in unserem Körper, die Art, wie wir Ausflüchte machen ,uns zurückziehen oder um uns schlagen, all das wird für uns das Ich, das am realsten ist.
 
Die Angst - Trance wird aufrecht erhalten von unseren Strategien, Angstgefühle zu vermeiden.
Wir lernen vielleicht, zu lügen um uns vor der Wut anderer zu beschützen, zu attackieren wenn uns das ein vorübergehendes Machtgefühl beschert. Oder wir bemühen uns ständig gut zu sein, wenn uns das vor Ablehnung bewahrt.
 
Weil wir auf einen in der Vergangenheit angesammeltem Schmerz reagieren, sind unsere Reaktionen auf das Geschehen im Augenblick völlig unverhältnismäßig. Wenn uns jemand kritisiert, wirft uns das zurück in eine Zeit, in der wir keinen Zugang zum erwachsenen Verständnisvermögen hatten. Wir fühlen uns, als wären wir ein machtloses Kind, allein, verängstigt.  Unsere Überreaktion bedeutet eine weiter Demütigung. Wir wollen nicht, das jemand unsere Angst bemerkt, damit wir nicht weitere Ablehnung erfahren. Dadurch verstärkt sich das Gefühl der Isolation und Bedrohung.
Weil die Angst - Trance aus dem Gefühl entsteht, von Beziehungen abgeschnitten zu sein, fühlen wir uns auf fundamentale Weise unsicher, bis wir im Zusammenhang mit anderen ein bisschen von der Liebe und dem Verständnis erfahren, die wir als Kind brauchten.
Der erste Schritt hin zu einem Grundgefühl der Sicherheit besteht darin, unsere Verbundenheit mit anderen zu entdecken. (Intersein; Thich Nhat Hanh). Der Würgegriff der Angst lockert sich, wenn wir der Wirklichkeit dieser Zugehörigkeit zu trauen beginnen.
Wir müssen uns daran erinnern, dass wir Teil von etwas Größerem sind, als unser angsterfülltes Ich es ist.
 
Hineinlehnen in die Angst
 
Wir müssen lernen, uns in die Angst fallen zu lassen,uns für die Empfindungen in unserem Körper öffnen. Wir müssen einwilligen, das zu spüren und zu fühlen, was für unser Bewußtsein zu viel ist, ( "das kann ich nicht ertragen, es wird mich vernichten"). Wir müssen in den Schmerz des Sterbens, in den Verlust all dessen, was uns lieb ist, einwilligen.
Angst ist immer Bestandteil des Lebens, Wiederstand gegen die Angst bedeutet Wiederstand gegen das Leben. Die Gewohnheit des Vermeidens sickert in jeden Aspekt unseres Daseins ein. Sie hält uns davon ab, gut zu lieben, die Schönheit um uns herum wahrzunehmen, im Augenblick gegenwärtig zu sein.
 
Der Schlüssel zum Erwachen aus der Angst liegt darin, das wir uns von unseren mentalen Geschichten entfernen und unmittelbaren Kontakt zu den Empfindungen der Angst aufnehmen; das Zittern, Brennen, Beben, Druck, Schmerz in unserem Körper.
Wir wollen das nicht wahrnehmen, oft haben wir das Gefühl : Es ist zu viel, ich werde vor Schmerz sterben.
Die Kehrseite des Wiederstandes gegen die Angst ist die Freiheit. Wenn wir aufhören, uns gegen das Leben zu stellen, öffnen wir uns einem Gewahrsein oder Bewußtsein, das unermesslich groß und von Liebe durchdrungen ist ( das Leben selbst).
 
 
 
 
Marcel Geisser : Friede des Herzens - jenseits von Angst

Wir alle haben viele Ängste erlebt und überlebt. Aber immer wieder knechten uns neue Ängste und hindern uns daran, frei zu leben und uns zu entfalten.

Es gibt unendlich viele Ängste: Die Angst vor der Zukunft, vor dem Ungewissen, Angst, die Kontrolle zu verlieren, krank zu werden, vor dem Tod, Angst, nicht lieben zu können und nicht geliebt zu werden, das Leben zu verpassen, ausgeschlossen und ausgelacht zu werden usw.

Da sind aber auch die lebensnotwendigen und schützenden Ängste, die uns daran hindern, uns oder anderen Schaden zuzufügen. So gehen wir keine halsbrecherische Risiken ein und kennen unsere Grenzen – körperliche, aber auch emotionale Grenzen. Das Wort für einen buddhistischen Mönch oder eine Nonne heißt wörtlich übersetzt: „Jemand, der oder die sich aus Weisheit fürchtet“.

Die Ängste der ersten Kategorie sind oft recht irrational und haben meist wenig mit der Gegenwart zu tun. Einige davon sind zukunftsorientiert und sind Projektionen unliebsamer Zustände. Der jetzige Moment sieht vielleicht ganz anders, weit positiver aus. Aber morgen könnte uns dieses oder jenes zustoßen. So ist die beste Versicherung für die Zukunft nicht die Angst vor dem, was morgen sein wird, sondern heute achtsam und bewusst zu leben. Dazu gehört auch, dass wir unsere Ängste besser kennen und verstehen lernen. Hinter diffusen Gefühlen stecken oft sehr konkrete Ursachen, die uns weit mehr beherrschen, als uns recht ist. Wenn wir uns selbst verleugnen, stammt das oft von der Angst, ausgestoßen zu werden. Der Mensch als ein Herdentier konnte vor Urzeiten nicht allein überleben. Sich in der Gemeinschaft einzuordnen und anzupassen war eine existenzielle Notwendigkeit. Eine Fähigkeit, die über Leben und Tod entscheiden konnte. Dinge einmal anders zu tun oder gewohntes Verhalten zu hinterfragen, kann bei anderen Menschen deshalb geradezu instinktive Panik auslösen. Die Harmonie der Gemeinschaft wird gestört.

Die Angst vor dem Unbekannten kann uns in persönlichen Bereichen hemmen, aber es kann auch die Quelle sein von Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber anderen Menschen, die es in all den Jahrhunderten unserer Geschichte überall auf der Welt immer wieder gab und die zu so viel Leiden geführt hat. Da ist nicht nur das Unbekannte, das Angst auslöst, sondern auch die Angst, zu kurz zu kommen, überrollt zu werden, keinen Platz mehr zu haben. Aus Ängsten wächst Ablehnung, aus der Ablehnung schnell einmal Wut und wenn es übel kommt, enden wir im unversöhnlichen Hass.

Häufig denken wir, die Angst könne durch Hoffnung besiegt werden. Doch Hoffnung worauf? Die Hoffnung, dass morgen alles besser wird? Dies bleibt immer ein Ringen von Hoffnung und Enttäuschung, das Ringen von Angst und Zuversicht. Es löst aber das eigentliche Problem nicht.

Interessanterweise wird die Angst als solche in der buddhistischen Psychologie kaum separat behandelt. Dort finden wir sie als eine Unterkategorie von Aversion. Wir sind ständig angenehmen und unangenehmen Gefühlen ausgesetzt und haben darüber niemals Kontrolle. Auf unangenehme Empfindungen reagiert unser Organismus, wenn er sich auch nur im Geringsten bedroht fühlt. Das ist eine ganz natürliche Reaktion, die aus unserer Identifikation mit unserem Körper und Geist herrührt. Sie mögen fragen: „Ja, was bin ich denn sonst, wenn nicht dieser Organismus?“. Sicher sind wir zumindest in unserem alltäglichen Kontext nichts anderes, als unser Körper und unser Geist. Da entdecken wir unsere Unsicherheit, unsere Ängste und wundern uns vielleicht, woher sie alle stammen mögen. Wichtig ist, sie zu spüren, sie anzunehmen und einfach mal als Teil unserer Persönlichkeit akzeptieren zu lernen. Aus buddhistischer Sicht aber sind wir weit mehr als das. Es ist sehr leidvoll und bedrohlich, sich in diesen sterblichen „vier Wänden“ unseres kleinen Selbst zu beschränken.

Deshalb widmen wir unsere ganze Aufmerksamkeit der Frage: „Was bin ich wirklich?“. Denn nur durch die Entdeckung und direkte Erfahrung, dass ich nicht einfach bloß diese momentane und vergängliche Hülle bin, sondern ein Ausdruck des ganzen Universums und dass ich mich an nichts Geschaffenem endgültig festhalten kann, lösen sich diese tiefe Existenzangst und damit auch alle die irrationalen Ängste in uns auf. Einen ängstlichen Geist stelle mir immer wie eine Nelkenvase vor. Nur ein paar Topfen Wasser haben Platz und ein paar zu viel und sie läuft schon über. Von einem anderen Kaliber ist die große Glocke im Zendo, im Meditationsraum. Sie hat ein beträchtliches Fassungsvermögen. Lassen wir unseren Geist zu einer solch großen Glocke werden, zu einem weiten Raum, in dem sowohl freudvolle als auch schmerzhafte und bedrohliche Gefühle Platz haben. So wird unser Gleichmut tief und umfassend wie ein Weltmeer. Darin gibt es Zeiten der Stille und Zeiten der Stürme.

In der stillen Meditation erfahren wir vielleicht plötzlich, dass wir und alle Wesen tatsächlich ganz und gar eins sind mit dem Universum. Wir sind ein Leben und es liegt mit an uns, dieses Leben im Miteinander zu gestalten. In der Erfahrung, dass wir eins sind mit allem Leben, finden wir einen Frieden jenseits von Angst.

 

Viele Menschen haben Angst vor dem Tod. Ich glaube, das die folgende Lehrrede in allen Angstzuständen sehr hilfreich sein kann.



 

Unser wahres zu Hause
Von Adschahn Chah
Übersetzt von Brigitte Schrottenbacher



Mach jetzt den Entschluß mit Respekt der Lehre zu lauschen.

Während ich spreche, versuche so aufmerksam zu sein, als ob du dem Buddha selbst zuhören würdest. Entspanne und schließe deine Augen. Konzentriere dich jetzt nur auf die Worte, die ich zu dir spreche. Laß die drei Juwelen von Weisheit, Wahrheit und Reinheit in deinem Herzen erwachen - als Zeichen deines Respekts für den Erhabenen.

Ich habe dir heute nichts Materielles mitgebracht, nur Dhamma, die edle Lehre. Hör gut zu und versuche zu verstehen, daß sogar der Buddha, der soviel heilsames Karma angesammelt hat, nicht dem Tode entkommen konnte. Als die Zeit gekommen war und er ein hohes Alter erreicht hatte, ließ er den Körper und seine schwere Last zurück. Auch für dich ist es Zeit, daß du dich mit den vielen Jahren, die du dich schon auf diesen Körper gestützt hast, zufrieden gibst. Du solltest das Gefühl haben, daß es genug ist.

Du kannst es mit deinen Haushaltsutensilien vergleichen. Deine Tassen, Teller und alles Geschirr, als sie noch neu waren haben sie gestrahlt aber nachdem du sie so lange Zeit benutzt hast, beginnen sie allmählich alt und abgenutzt zu werden. Einige sind schon zerbrochen, andere sind verschwunden, und die paar die noch übrig sind werden nicht besser, sie haben keine stabile Form und so soll es auch sein, das ist ganz natürlich so. Mit dem Körper ist es genauso. Er verändert sich seit dem Tage deiner Geburt, durch Kindheit, Jugend, bis zum heutigen Tag, wo er ein hohes Alter erreicht hat. Das mußt du akzeptieren. Der Buddha lehrte, daß alle konditionierten, zusammengesetzten Dinge (sankharas) - seien sie innerhalb von Geist und Körper, oder irgendwo außerhalb – nicht-Selbst, also unkontrollierbar sind, und daß sie der Vergänglichkeit unterworfen sind. Denk darüber nach bis du das ganz klar sehen kannst.

Dieser Klumpen Fleisch der hier liegt und dabei ist, sich aufzulösen – ist die Wahrheit. Das ist die wahre Natur dieses Körpers. Es ist die Wahrheit, die der Buddha lehrte. Der Buddha hat uns gelehrt den Körper zu betrachten, ihn zu sehen wie er wirklich ist. Wir müssen lernen den Körper zu akzeptieren, in welchem Zustand er auch sein mag. Der Buddha lehrte, daß wir uns dessen klar werden sollen, daß es nur der Körper ist, der im Gefängnis sitzt, wir sollen nicht erlauben daß auch unser Geist mit ihm eingesperrt ist. Jetzt wo dein Körper auf sein Ende zugeht und anfängt sich aufzulösen, wehre dich nicht dagegen und laß nicht zu, daß sich dein Geist mit dem Körper auflöst. Geist und Körper sind nicht ein und dasselbe. Halte die beiden auseinander. Gib dem Geist Energie dadurch, daß du verstehst, daß dies die wahre Natur der Dinge ist. Der Buddha lehrte, daß das die wahre Natur des Körpers ist und es kann gar nicht anders sein, wir werden geboren, werden alt und krank und schließlich müssen wir sterben. Das ist die große Wahrheit, die du gerade erfährst. Sieh deinen Körper mit Weisheit und versuche das zu verstehen.

Selbst wenn dein Haus überschwemmt wird oder abbrennt, was auch immer es bedrohen mag, laß es nur das Haus sein, das in Gefahr ist. Wenn da eine Überschwemmung ist, laß sie nur das Haus überschwemmen und nicht deinen Geist. Ist ein Feuer ausgebrochen, so laß es nicht deinen Geist verbrennen, laß es nur beim Haus bleiben. Das Haus, das überschwemmt wird oder abbrennt ist außerhalb deiner selbst. Erlaube deinem Geist loszulassen und alle seine Anhaftungen aufzugeben, die Zeit ist gekommen.

Du hattest ein langes Leben. Deine Augen haben viele Formen und Farben gesehen, deine Ohren haben viele Töne gehört und du hattest unzählige Erfahrungen. Und das ist alles was es war, nur Erfahrungen. Du hast delikate Speisen gegessen und alles was es war, ist angenehmer Geschmack, sonst nichts. Die unangenehmen Geschmäcke waren nichts als unangenehme Geschmäcke – das ist alles. Wenn die Augen eine schöne Form wahrnehmen, so ist es nur eine schöne Form, das ist alles. Eine häßliche Form ist nichts als eine häßliche Form. Die Ohren hören eine schöne Melodie und das ist es, was es ist und sonst nichts. Ein unangenehmes Geräusch ist ganz einfach nur das was es ist.

Buddha lehrte, reich oder arm, jung oder alt, Menschen oder Tiere, keiner kann in einem Stadium für lange verweilen, alle sind sie der Vergänglichkeit unterworfen. Dies ist eine Tatsache und keiner kann etwas dagegen tun. Er lehrte, daß das einzige was wir aber tun können ist, den Körper und den Geist genau zu inspizieren und deren selbstlose Natur zu erkennen, zu sehen, daß sie kein “ich” oder “meins” sind. Sie sind mehr oder weniger nur ein Provisorium. Es ist wie dieses Haus, es gehört dir nur bedingt, du kannst es nicht mit dir nehmen. So ist es mit all deinem Besitz und mit deiner Familie, sie gehören dir nur dem Namen nach, in Wirklichkeit gehören sie dir nicht, sie sind Teil der Natur. Dies ist nicht nur für dich so, es gilt für alle, auch der Buddha selbst und seine erleuchteten Schüler unterlagen diesem Naturprinzip. Sie unterscheiden sich von uns nur in dem Aspekt, daß sie akzeptierten, daß die Dinge so sind und daß sie gar nicht anders sein können.

Darum hat der Buddha gelehrt, daß wir diesen Körper betrachten sollen, von den Fußsohlen aufwärts bis zum Scheitel und wieder abwärts zu den Fußsohlen. Schau dir nur diesen Körper an. Was siehst du da? Ist da irgendein Teil wirklich sauber und rein? Kannst du irgendetwas beständiges, bleibendes finden? Dieser Körper ändert sich dauernd und verfällt von Moment zu Moment. Buddha sagte wir sollen sehen, daß er nicht wirklich uns gehört. Und das ist die Natur des Körpers, alles bedingt entstandene unterliegt der Vergänglichkeit. Wie sonst sollte es sein? Im Grunde ist nichts falsch daran, daß der Körper so ist. Es ist nicht der Körper, der dein Leid verursacht, es ist dein falsches Denken. Wenn du das rechte als falsch siehst, dann muß Verwirrung aufkommen.

Es ist wie mit dem Wasser eines Flußes. Es strömt nach unten, niemals nach oben und das ist ganz natürlich so. Wenn jemand am Flußufer stehen würde und dummerweise wollte, daß das Wasser flußaufwärts fließt, so würde er leiden. Was immer er auch tun mag, sein falsches Denken würde ihm keinen Frieden lassen. Seine falsche Ansicht würde ihn unglücklich machen, denn er denkt gegen den Strom. Hätte er rechte Ansicht, so würde er sehen, daß das Wasser eben fluß abwärts fließen muß, bis er das versteht und akzeptiert wird er keine Ruhe finden.

Der Fluß, der abwärts fließt ist wie dein Körper. Du warst jung und bist jetzt alt und langsam geht der Körper seinem Ende, dem Tode zu. Wünsche nicht, daß es anders sein soll, es ist nicht in deiner Macht dies zu tun. Der Buddha lehrte uns die Dinge zu sehen, wie sie sind und dann das haften an ihnen aufzugeben. Mach dieses Gefühl des Loslassens, zu deiner Zuflucht. Mach weiter mit der Meditation auch wenn Müdigkeit und Erschöpfung auftauchen. Versuch die Achtsamkeit beim Atem zu halten. Mach ein paar tiefe Atemzüge und bleib dann bei der natürlichen Atmung. Benutze das Mantra “Buddho”. Mach dir diese Praxis zur Angewohnheit. Je schwächer du dich fühlst umso feiner und konzentrierter sollte dein Geist sein, dann wirst du mit den aufkommenden Schmerzen umgehen können. Fühlst du dich erschöpft, so laß alle Gedanken los und sei nur noch mit dem Atem. Wiederhole innerlich unablässig „Bud-dho, Bud-dho“. Laß alles, was von außen auf dich zukommt, los. Hafte nicht an Gedanken an deine Kinder oder Verwandten, hafte an gar nichts. Laß los. Sammle deinen Geist und versuche ihn beim Atem zu halten. Bleib nur beim Atem.

Konzentriere dich, bis der Geist sehr fein wird und Gefühle nicht mehr wichtig sind, dann erreichst du ein Stadium großer Klarheit und Wachheit. Wenn dann Schmerzen auftauchen, so verlöschen sie auch wieder von selbst. Letztendlich machst du mit dem Atem, was du mit einem Verwandten tun würdest, der zu Besuch kommt. Wenn er dein Haus verläßt begleitest du ihn nach draußen und siehst ihm nach, bis er außer Sicht gegangen oder gefahren ist, dann gehst du wieder ins Haus zurück. Du solltest den Atem genauso betrachten. Ist die Atmung tief und schnell, so weißt du es, ist sie schwach, so weißt du es. Wenn der Atem immer feiner wird, so bleibst du dabei und hälst den Geist wach. Irgendwann wird der Atem dann ganz verschwinden und alles was übrig bleibt, ist ein starkes Gefühl der Wachsamkeit. Das nennen wir „den Buddha zu treffen“. Wir haben die klare, frische Achtsamkeit die „Buddho“ genannt wird, der Wissende, der Erwachte, der Strahlende. Du triffst Buddha und bleibst bei ihm, mit klarem, achtsamem Geist. Es war nur der Buddha als Mensch, der ins Parinibbana, das endgültige Nibbana eingegangen ist, jenen Buddha, der klar, wissend und strahlend ist, diesen Buddha können wir auch heute noch erfahren und wenn wir das tun, so ist unser Geist eins.

Also laß los, laß alles gehen, außer deiner Bewußtheit. Laß dich nicht von Visionen oder Geräuschen ablenken, die bei der Meditation auftauchen. Laß alles los. Hafte an nichts. Sei nur achtsam. Sorge dich weder um die Vergangenheit, noch um die Zukunft. Sei nur still, so wirst du in einen Zustand kommen, in dem du weder vorwärts noch rückwärts gehst und auch nicht stehenbleibst, da ist nichts mehr, wonach du greifst und an dem du haftest. Warum ist das so? Weil da kein selbst mehr ist, kein „ich“ und „mein“. Alles fällt weg. Der Buddha lehrte, daß wir uns auf diese Weise, von allem befreien sollen, wir sollen nichts mit uns schleppen. Du weißt nur und läßt dann alles los.

Jeder von uns muß den Dhamma, den Weg, der zur Befreiung von Geburt, Alter und Tod führt, selbst realisieren. Gib nicht auf und mach weiter, bis du den Dhamma verstehst. Lenke deine ganze Aufmerksamkeit auf deine Kontemplation. Sorge dich nicht um deine Familie. Jetzt sind sie so, wie sie jetzt sind, in Zukunft, sind sie wie du. Niemand kann diesem Schicksal entgehen. Darum lehrte Buddha, daß wir alles niederlegen sollen. Wenn du alles loslassen kannst, wirst du die Wahrheit erkennen, wenn nicht, dann siehst du sie nicht. Es ist so, wie es ist - für alle Lebewesen. Sorge dich also nicht und laß alles los.

Selbst wenn du merkst, daß du am denken bist, so ist das in Ordnung, solange du weise denkst. Denke nicht unsinnig. Wenn du an deine Kinder denkst, so tu es mit Weisheit und nicht mit Verblendung. Wohin dein Geist sich auch wenden mag, denk über die Sache mit Weisheit nach, mit Klarheit über deren wahre Natur. Wenn du die Dinge mit Weisheit siehst, so wirst du loslassen und kein Leid entsteht. Der Geist wird klar, voller Freude und Frieden und sich von allen Ablenkungen abwendend, wird er eins. Was dir jetzt am meisten hilft, ist dein Atem.

Es ist deine eigene Arbeit, niemand kann sie für dich erledigen. Laß die Anderen ihre eigene Arbeit tun. Du hast deine eigenen Pflichten und Verantwortungen und mußt nicht die, deiner Familie auf dich nehmen. Nimm nichts an, sondern laß alles los. Dieses Loslassen beruhigt den Geist. Die einzige Pflicht, die du jetzt hast, ist deinen Geist zu konzentrieren und zu beruhigen. Alles andere, sollen die Anderen tun. Formen, Geräusche, Gerüche, Geschmäcke – laß die Anderen sich darum kümmern. Du läßt alles zurück und kümmerst dich nur um deine eigene Pflicht. Was auch auftauchen mag, in deinem Geist, Angst vor Schmerzen, Angst vor dem Tod, Sorge um Andere – was auch immer es sein mag, sag ihnen „stört mich nicht. Ihr seid nicht mehr mein Problem“. Wiederhole das, wann immer diese „dhammas“ im Geist auftauchen.

Worauf bezieht sich das Wort „dhamma“? Alles ist dhamma. Es gibt nichts was nicht dhamma ist. Und was ist mit der Welt? Die Welt ist der Geisteszustand der dich jetzt gerade aus der Fassung bringt. „Was wird diese Person tun? Was jene Person? Wenn ich sterbe, wer wird sich um sie kümmern? Wie werden sie fertig werden? “ Das ist alles nur die „Welt“. Allein schon das Aufkommen von Angst vor Schmerzen oder dem Tod, ist die Welt. Schmeiß die Welt weg! Die Welt ist, wie sie ist. Wenn du erlaubst, daß sie im Geist auftaucht und deine Bewußtheit beherrscht, dann wirst du verwirrt und dein Geist kann sich selbst nicht erkennen. Was auch immer im Geist auftaucht, sag „das ist nicht mein Problem.Es ist vergänglich, unbefriedigend und nicht-Selbst“.

Zu denken, daß du noch lange leben möchtest, führt zu Leiden. Aber auch der Gedanke, daß du sofort sterben möchtest, ist nicht richtig. Das ist leidhaft, nicht wahr? Alle diese bedingt entstandenen Dinge gehören uns nicht, sie folgen ihrem eigenen natürlichen Gesetz. Du kannst nichts daran ändern, daß der Körper so ist wie er ist. Du kannst ihn ein wenig verschönern, ihn attraktiver erscheinen lassen, wie die jungen Mädchen, die ihre Lippen bemalen und die Fingernägel lange wachsen lassen, aber wenn das Alter kommt, sitzen alle im selben Boot. Das ist die Natur des Körpers und das kannst du nicht ändern. Was du aber verbessern und verschönern kannst, ist dein eigener Geist.

Jeder kann ein Haus aus Holz oder Ziegeln bauen. Der Buddha hat gelehrt, daß so ein Haus nicht unser wahres zu Hause ist, es gehört uns nur vorübergehend. Es ist eine Heimat in der Welt und es folgt dem Gesetz der Welt. Unser wahres zu Hause ist innerer Friede. Ein Haus in der Welt mag vielleicht sehr schön aussehen, aber es ist keineswegs friedvoll. Da ist dieses Problem und dann jenes, diese Sorge und dann jene. Darum sagen wir, daß es nicht wirklich unser zu Hause ist, es ist bloß äußerlich und früher oder später, müssen wir es zurücklassen. Es ist kein Platz an dem wir für immer bleiben können, denn es gehört uns nicht wirklich, es ist Teil der Welt. Unser Körper ist genauso, wir glauben wir sind unser Körper, das bin „ich“, er ist „mein“, in Wirklichkeit ist er aber auch nur ein weltliches zu Hause. Dein Körper ging seinen natürlichen Weg, von Geburt an bis zum heutigen Tag, wo er alt und krank ist und das kannst du ihm nicht verbieten, es ist ganz natürlich so. Es anders haben zu wollen, wäre genauso dumm als wenn man wollte, daß eine Ente ein Huhn ist. Wenn dir klar wird, daß es so sein muß, daß eine Ente eine Ente ist und ein Huhn eben ein Huhn, daß der Körper alt werden muß und stirbt, dann wirst du Kraft und Energie schöpfen. Wie sehr du auch wünschen magst, daß der Körper weitermachen und lange leben soll, er wird es nicht tun.

Der Buddha lehrte:

Anicca vata sankhara
Uppadavayadhammino
Upajhitava nirujjhanti
Tesam vupasamo sukho



Das Wort sankhara bezieht sich auf Körper und Geist. Sankharas sind vergänglich und nicht stabil, sie werden geboren und sterben, sind entstanden und vergehen und trotzdem wollen alle daß sie unvergänglich sind. Das ist Dummheit. Schau dir deinen Atem an. Er fließt ein und dann wieder aus, das ist natür-lich so und so muß es sein. Ein- und Ausatmung müssen sich abwechseln, Veränderung muß sein. Sankaras existieren durch Veränderung, das kannst du nicht vermeiden. Denk mal nach, könntest du einatmen ohne auszuatmen? Würde sich das gut anfühlen? Oder könntest du nur ausatmen? Wir möchten, daß die Dinge unvergänglich sind, aber das ist unmöglich. Wenn der Atem einfließt, so muß er auch wieder ausfließen, wenn man ausgeatmet hat, so muß man auch wieder einatmen, das ist ganz natürlich so, nicht wahr? Wir werden geboren, werden krank und alt und dann müssen wir sterben, das ist ganz natürlich und normal. Weil sankharas ihre Arbeit getan haben, weil sich Ein- und Ausatmung abgewechselt haben, aus diesem Grunde gibt es die menschliche Rasse noch heute.

Im dem Moment, in dem wir geboren werden, sterben wir. Geburt und Tod, sind ein und dasselbe. Es ist wie bei einem Baum, weil er Wurzeln hat, hat er auch Zweige, weil er Zweige hat, hat er auch Wurzeln. Du kannst das eine nicht ohne das andere haben. Es ist lustig zu sehen, wie bei einem Todesfall die Leute verzweifelt und voller Trauer sind und bei einer Geburt, sind so glücklich und erfreut. Das ist Verblendung, niemand sieht sich das genauer an. Ich denke wenn du wirklich weinen willst, dann ist es besser, dies bei einer Geburt zu tun. Geburt bedeutet auch Tod, Tod ist auch Geburt, die Wurzel ist der Zweig, der Zweig ist die Wurzel. Wenn du weinen willst, weine bei der Wurzel, weine bei der Geburt. Schau es dir genau an: wäre da keine Geburt, so wäre auch kein Tod. Verstehst du das?

Denk nicht zu viel. Denk nur, daß das die Natur der Dinge ist. Das ist deine Arbeit, deine Pflicht. Jetzt kann dir keiner helfen, es gibt nichts, daß deine Familie und deine Besitztümer für dich tun können. Das einzige was dir jetzt hilft, ist die rechte Achtsamkeit.

Also zögere nicht. Laß los. Wirf alles über Bord.

Selbst wenn du nicht losläßt, so löst sich doch alles auf. Kannst du sehen, wie sich die verschiedenen Körperteile langsam entfernen? Nimm dein Haar: als du jung warst waren deine Haare kräftig und schwarz, jetzt fallen sie aus. Sie verlassen dich. Deine Augen waren gut, jetzt siehst du nur noch undeutlich. Wenn die Organe genug haben, so verlassen sie dich, denn dies ist nicht ihr wahres zu Hause. Als du noch Kind warst, waren deine Zähne gesund und stark, jetzt wackeln sie, wahrscheinlich hast du sogar schon falsche Zähne. Deine Augen, Ohren, Nase, Zunge – alles versucht dir zu entwischen, denn dies ist nicht ihr zu Hause. Es ist nicht möglich ein dauerhaftes Heim in sankharas zu finden, du kannst ein Weilchen bleiben und dann mußt du gehen. Es ist als ob ein Mieter sein kleines Häuschen betrachtet, mit schwachen Augen. Seine Zähne sind nicht mehr so gut, seine Ohren hören nicht mehr so gut, sein Körper ist nicht gesund, alles verläßt ihn.

Du brauchst dich also um nichts zu sorgen, denn dies ist nicht dein wahres zu Hause, es ist nur vorübergehend dein Unterschlupf. Du wurdest in diese Welt geboren und solltest versuchen ihre wahre Natur zu erkennen. Alles was da ist, bereitet sich darauf vor, wieder zu gehen. Sieh dir deinen Körper an. Ist da irgendetwas an ihm, das noch in seiner ursprünglichen Form ist? Ist deine Haut, wie sie mal war? Dein Haar ist nicht mehr dasselbe, oder? Wo ist alles hingegangen? Das ist Natur, die Dinge sind, wie sie sind. Wenn die Zeit um ist, dann gehen die Dinge ihren eigenen Weg. Du kannst dich auf nichts in dieser Welt stützen, es ist ein endloses hin- und hergeworfen sein, zwischen Problemen und Unruhen, Freud und Leid. Es gibt keinen Frieden.

Wenn wir kein wahres zu Hause haben, dann sind wir wie ein Reisender. Wir gehen eine Weile diese Straße entlang, dann auf einer anderen Straße, wir rasten ein Weilchen und gehen dann weiter. Bis wir nach Hause gekommen sind, fühlen wir uns nicht wirklich wohl, wie jemand der sein Heimatdorf verlassen hat, um auf Reisen zu gehen. Erst wenn er wieder zu Hause angekommen ist, kann er entspannen und sich wirklich ausruhen.

Nirgends in dieser Welt, kann man wahren Frieden finden. Weder die Armen noch die Reichen haben Frieden. Weder Erwachsene noch Kinder haben Frieden. Weder die Gelehrten, noch die Unwissenden. Es gibt nirgends Frieden. Das ist die Natur dieser Welt.

Diejenigen die wenig besitzen leiden, und die, die viel besitzen leiden auch. Kinder, Erwachsene und Alte, sie alle leiden. Leiden weil sie alt sind, leiden weil sie jung sind. Leiden weil sie reich sind und leiden weil sie arm sind – es ist alles Leiden.

Wenn du die Dinge in dieser Weise siehst, dann siehst du aniccam, die Vergänglichkeit und dukkham, die Unzulänglichkeit. Warum sind die Dinge vergänglich und unbefriedigend? Es ist so, weil sie anatta, nicht-Selbst und damit unkontrollierbar sind.

Beide – der Körper, der hier krank und schmerzgeplagt liegt und der Geist, der sich der Schmerzen und Krankheit bewußt ist, sind dhammas. Das Formlose, die Gedanken, Gefühle und die Wahrnehmung, werden namadhamma genannt. Das, wo sich Schmerz und Krankheit manifestieren, wird rupadhamma genannt. Die Form und das Formlose sind dhamma. So leben wir mit dhammas, in dhammas, wir sind dhammas. In Wahrheit ist da nirgendwo ein Selbst zu finden, da sind nur dhammas, die andauernd kommen und gehen, das ist ihre Natur. Jeden einzelnen Moment erfahren wir Geburt und Tod. So sind die Dinge.

Wenn wir an den Buddha denken und an die Wahrheit, die er gelehrt hat, dann fühlen wir, daß er größten Respekt verdient. Wann immer wir die Warheit sehen, sehen wir, was er gelehrt hat, selbst wenn wir nie den Dhamma praktiziert haben. Aber selbst wenn wir die Lehre studiert und praktiziert haben, jedoch die Wahrheit nie gesehen haben, dann sind wir immer noch heimatlos.

Versuche diesen Punkt zu verstehen, alle Lebewesen sind dabei zu gehen. Wenn die Wesen eine angemessene Zeit gelebt haben, dann müssen sie wieder gehen. Die Reichen, die Armen, die Jungen und die Alten, alle Wesen erfahren diese Veränderung.

Wenn dir klar wird, daß das nun einmal der Weg der Welt ist, dann wirst du ihrer überdrüssig werden. Wenn du verstehst, daß da nichts ist, worauf du dich verlassen kannst, nichts, was bleibend und sicher ist, dann wirst du Überdruß und Ernüchterung erfahren. Diese Ernüchterung bedeutet aber nicht, daß Aversion in deinem Geiste auftaucht. Der Geist bleibt klar. Er sieht, daß nichts gegen diese Wirklichkeit getan werden kann, dies ist die wahre Natur der Welt. Wenn du auf diese Weise erkennst, dann wirst du loslassen können. Loslassen, mit einem Geist der weder glücklich noch unglücklich ist. Mit ruhigem Geist, die Natur der sich dauernd verändernden sankharas akzeptierend. Anicca vata sankhara – alle sankharas sind vergänglich.

Einfach gesagt – Vergänglichkeit ist der Buddha. Sehen wir uns ein vergängliches Phänomen genau an, so sehen wir, daß es dauerhaft in dem Sinne ist, daß es fortwauml;hrend, der Vergänglichkeit unterworfen ist. Das ist die Beständigkeit, die den Wesen innewohnt. Unablässig verändert sich jedes Wesen, von Kindheit über Jugend bis zum Alter und diese Vergänglichkeit ist das einzige, daß sich nicht ändert. Siehst du die Dinge auf diese Weise, dann wird sich dein Geist beruhigen. Du siehst, daß nicht nur du durch diesen Prozeß gehen mußt, sondern jeder Andere auch.

Die Dinge so zu betrachten, wird zu Überdruß und Ernüchterung führen. Du wirst deine Vorlieben für weltliche Genüße verlieren. Du wirst verstehen, daß du, wenn du viel besitzt, auch viel zurücklassen mußt, besitzt du wenig so läßt du wenig zurück. Reichtum ist bloß Reichtum, ein langes Leben, bloß ein langes Leben, sie sind nichts besonderes.

Wichtig ist nur, daß wir der Lehre des Buddha folgen und uns ein wahres zu Hause schaffen. Wir bauen es mit der Methode, die ich vorher erklärt habe. Bau dir dein zu Hause. Laß los. Laß immer wieder los bis der Geist das Stadium von weder Fortschritt, noch Rückschritt, noch Stehenbleiben, erreicht hat. Vergnügen ist nicht unser zu Hause, Leiden ist nicht unser zu Hause. Freude und Leid sind vergänglich.

Der große Lehrer hat erkannt, daß alle sankharas vergänglich sind und dann hat er gelehrt, daß wir unser haften an ihnen loslassen müssen. Wenn wir am Ende unseres Lebens angekommen sind, bleibt uns sowieso nichts anderes übrig, wir können nichts mit uns nehmen. Wär es da nicht besser, schon vorher loszulassen? Es ist eine so schwere Last, warum sie also nicht jetzt schon abwerfen? Warum willst du dich weiterhin abschleppen? Laß los, entspanne und laß sich deine Familie um dich kümmern.

Wer Kranke pflegt entwickelt Güte und Tugend. Der Kranke, sollte es dem Pflegern nicht schwer machen. Empfindet man Schmerz oder ein anderes Problem taucht auf, so läßt man es sie wissen aber man sollte versuchen den Geist in einem heilsamen Zustand zu belassen. Wer seine Eltern pflegt, sollte sein Herz mit Wärme und Güte füllen und sollte keine Abneigung entwickeln. Dies ist der Zeitpunkt, wo ihr eure Schuld ihnen gegenüber, abtragen könnt. Von Geburt an, über Kindheit, bis ihr erwachsen wurdet, seid ihr von den Eltern abhängig gewesen. Daß wir heute hier sein können, ist nur möglich, weil uns unsere Eltern in so vielen Dingen geholfen und unterstützt haben. Wir schulden ihnen äußerste Dankbarkeit.

Heute könnt ihr, Kinder und Verwandte, die ihr hier zusammen gekommen seid, sehen, wie eure Eltern zu euren Kindern werden. Vorher seid ihr ihre Kinder gewesen, jetzt sind sie eure Kinder. Sie werden älter und älter bis sie wieder Kinder werden. Ihr Erinnerungsvermögen läßt nach, die Augen sehen nicht mehr so gut und die Ohren hören kaum noch, manchmal stottern sie ihre Worte. Werdet deswegen nicht ungeduldig. Auch ihr, die ihr euch um die Kranken kümmert, müßt lernen loszulassen. Haftet nicht an den Dingen, laßt los und laßt ihnen ihren Willen. Wenn ein Kleinkind nicht folgsam ist, so lassen ihm die Eltern manchmal seinen Willen, um des Friedens willen und um es glücklich zu machen. Eure Eltern sind jetzt wie so ein Kind. Ihre Erinnerungen und Wahrnehmungen sind verwirrt. Manchmal verwechseln sie eure Namen oder ihr fragt sie um eine Tasse und sie bringen euch einen Teller. Das ist normal, werdet deshalb nicht ungeduldig.

Der Patient sollte sich der Güte der Menschen bewußt sein, die ihn pflegen und geduldig Schmerzen seine ertragen. Strengt euren Geist an, laßt ihn nicht zerstreut und unruhig werden, macht es denen, die sich um euch kümmern nicht schwer. Die Pfleger sollen ihr Herz mit Güte und Tugend füllen. Laßt keine Abneigung aufkommen gegen die unangenehmen Seiten dieser Aufgabe, wie das Reinigen von Schleim, Urin und Exkrementen. Versucht euer Bestes. Alle in der Familie helfen mit.

Das sind eure einzigen Eltern. Sie haben euch das Leben geschenkt, sie haben euch gelehrt, gepflegt und geheilt – sie haben alles für euch getan. Daß sie euch aufgezogen und gelehrt haben, ihren Besitz mit euch geteilt haben und euch zu ihren Erben gemacht haben, zeigt die große Wohltätigkeit der Eltern. Aus diesem Grund hat der Buddha die Tugenden von katanyu und katavedi – die Bewußtheit, daß wir ihnen zu Dankbarkeit verpflichtet sind und daß wir versuchen, es ihnen zu vergelten – gelehrt. Diese zwei dhammas ergänzen einander. Wenn unsere Eltern in Not sind, sie krank sind oder sonst in Schwierigkeiten, dann sollten wir ihnen helfen, so gut wir können. Das ist Katanyu-katavedi, es ist eine Tugend, die das Positive in dieser Welt fördert. Es vermeidet, daß Familien auseinanderbrechen, es macht sie stabil und harmonisch.

Heute habe ich dir Dhamma zum Geschenk gemacht. Ich habe nichts Materielles mitgebracht und es scheint mir, daß davon ohnehin schon genug in diesem Haus vorhanden ist. Darum gebe ich dir Dhamma, etwas das bleibenden Wert besitzt und daß du nie verbrauchen kannst. Nachdem du es von mir erhalten hast, kannst du es an soviele Menschen weitergeben, wie du möchtest und doch wird es sich nie erschöpfen. Das ist die Natur der Wahrheit. Ich bin glücklich, daß ich dir dieses Geschenk des Dhamma geben konnte und hoffe, daß es dir Kraft gibt, mit deinen Schmerzen umzugehen.